Reisebücher, Reiseliteratur, Ratgeber -
Estland, Lettland, Litauen

zurück zur INFOBALT-Hauptseite

zurück

11,6 cm breit
Vergleichen, was vergleichbar ist:

Zum Direktvergleich der drei "Baltikum"-Bücher

BUCHFORMAT
17,4 cm hoch
Tomasz Torbus: Baltische Staaten - Estland, Lettland, Litauen, Kaliningrad. Nelles Verlag, München 2005. 2. überarbeitete Auflage 2005. 256 Seiten + Hotelverzeichnis, 119 Farbbildern und 24 Karten / Stadtplänen. ISBN 3-88618-801-9. Verkaufspreis: 10,90 Euro. (Abbildung rechts: Layoutbeispiel)
1. Größte Stärken
Klein und handlich, AutorInnen mit eigenen kulturwissenschaftlich-historischen Kenntnissen, die auch dem Buch eine eigene Prägung geben. Sehr preiswertes Buch. O O
2. Größte Schwächen
Inhaltlich sehr knapp gehalten, reißt viele Themen nur an, Format gegenüber der vorhergehenden Fassung nochmals verkleinert, Einband nicht mehr so solide. Wahrscheinlich unterschiedliche Autoren der Fassung von 2002 und der neuen Ausgabe, dadurch manchmal Unklarheiten.
3. Einleitung, Übersicht
Das Buch besteht – abgesehen von den Ortsbeschreibungen - fast nur aus einer Einleitung (kein Scherz!). Zwei Seiten zum „ethno-historischen Puzzle“, 9 Seiten Überblick Litauen, und nur je 7 Seiten Überblick Lettland und Estland. Die spärlichen Zeilen sind allerdings wohl abgewogen und sachlich korrekt. Daher in dieser Kategorie noch zwei Pluspunkte. O O 

Im Abschnitt „Informationen“ wird nur auf ein paar Internetseiten (sehr unterschiedlicher Qualität!) verwiesen und auf die Touristikzentrale.

4. Anreiseinfos
Reiseinfos nur auf knappen 12 Seiten am Schluß des Buches. In Formulierung und Ausführlichkeit entspricht es in etwa dem, was jederzeit auf den Internetseiten des Baltischen Tourismuszentrale in Berlin abgerufen werden kann. Eigene Erfahrungen der Autoren werden kaum geschildert. O
5. Unterwegs
Tipps zum ÖPNV gibt es in diesem Buch kaum (einige im Kapitel Vilnius zum Beispiel), Fahrradtipps gibt es in diesem Buch keine – ausser gelegentlich erwähnte Adressen von Fahrradverleihstationen (und ein paar kurze Sätze unter „Sport“). Die „Ausgliederung“ der praktischen Tipps an den Schluß des Buches und in wenige gesonderte Kapitel wirkt unzweckmäßig – bei entsprechenden Kenntnissen hätte sich viele praktische Hinweise auch zu kleineren Orten schon im Text unterbringen lassen.

Sehenswürdigkeiten wird Vieles beschrieben - wie man auch ohne Auto hinkommen kann, wird dem Besucher oft selbst überlassen, so zum Beispiel auf Seite 203/204 die Ausflugsmöglichkeiten von Tartu zum Peipus-See. Allein die Vielzahl der im Buch kurz erwähnten Orte und Gebäude gibt Hinweise auf eine Tour, deren praktischen Ablauf man sich dann wohl selbst zusammensuchen muss. O

Zum Thema Stadtverkehr meinen die Autoren sogar: „die meisten Sehenswürdigkeiten in den baltischen Städten sind mühelos zu Fuß erschließbar. Nur selten ist man auf häufig verkehrende Trolleybusse und (etwas seltener fahrende) Busse angewiesen, beispielsweise bei Fahrten zum Flughafen...“ Da spricht der Autofahrer und Vielflieger !!! ?

6. Übernachten – allgemeine Hinweise
Das Buch stellt Adresslisten von Übernachtungsgelegenheiten bereit, mit Adressen und Kurzkommentar. Nur als Überblick geeignet, nicht immer scheinen die Autoren die Hotels auch selbst von innen gesehen zu haben. O
7. Essen & Trinken, allgemeine Hinweise
Praktische Tipps hierzu beschränken sich auf die Aufreihung einiger Restauranttipps (nur die Hauptorte) mit knappen Beschreibungen in Stichworten. Ein Kapitel von vier Seiten, inkl. Fotos, führt aber anschaulich in die verschiedenen Küstentraditionen ein, mit vielen brauchbaren Tipps, unter Benennung vieler landestypischer Spezialitäten. O O O
8. Praktische Tipps
Die listenartige Zusammenstellung von Restaurants- und Museumstipps reicht mal gerade, um sie mit den sowieso vor Ort zur Lektüre zu empfehlenden Stadtzeitschriften wie „“Tallinn in your Pocket“ oder „Riga City Guide“ zu vergleichen. Wer dies sucht, kann sich den Kauf dieses Reisebuchs also sparen. Die praktischen Tipps sind wiederum etwa dem entsprechend, was von der Baltischen Tourismuszentrale in Berlin als Handreichung ebenfalls genauso bezogen werden kann. Manchmal sogar launisch-kurzgefasste Ausdrücke wie „Handynetz flächendecken“ (Seite 244). Da freut sich der Leser (lesen Sie doch mal den entsprechenden Abschnitt in einem anderen Buch!)! O

Geradezu „historischen“ Charakter hat der Abschnitt „Medien“: hier werden Zeitungen wie „Baltic Observer“ oder sogar „Baltic Independent“ genannt, auch eine misteriöse „Baltic News“ in Vilnius – weitgehend bereits in der ersten Hälfte der 90er Jahre eingestellt oder in andere Publikationen übergegangen. Die einzige deutschsprachige Wochenzeitung, die tatsächlich momentan noch herauskommt (Baltische Rundschau) hält man dagegen für keine Erwähnung wert. ?

9. Geographie, Natur, Klima
Wird nur überblickartig in ein paar Sätzen aus dem Zusammenhang der Einleitung erklärt. Der Abschnitt „Natur“ besteht fast nur aus einem Zitat von Czeslaw Milosz, der Rest firmiert als „nostalgische Landschaften“. Selbst zu Nationalparken werden meist nur wenige Sätze geschrieben, die auch nur einfache Stichworte zu möglicherweise interessanten Dinge für Naturfreunde bringen. Als „selten gewordene Vögel“ werden im Text einzig Störche als im Baltikum vorhanden angepriesen. O ?
10. Umwelt- und Naturschutz
Umwelt- und Naturschutz kommen in diesem Buch so gut wie gar nicht vor. Sogar dort, wo Nationalparke erwähnt sind, wird nicht mal der Grund für ihre Schutzwürdigkeit erläutert. Das Thema wird nur erwähnt, wo unvermeidbar – so wie bei der Beschreibung von Kohtla-Järve in Estland.

Die allgemeine (leider auf diesem Gebiet weit verbreitete) Ahnungslosigkeit zu diesem Thema kommt auch auf Seite 207 zum Ausdruck, als eine wegen sauberen Gewässern verliehene „Blaue Fahne“ erwähnt wird – wenn das stimmt, war es die EU-weit bekannte Gewässeruntersuchung, die unter „Blaue Flagge“ in Deutsch bekannt ist (Infos aus anderen Sprachen rückübersetzt?).

11. Geschichte, Politik
Besonders im Abschnitt Litauen schimmert eine sehr polnisch-osteuropäisch geprägte Vorbildung der Autoren durch – nicht einmal mit der typisch litauischen Schreibweise aller Eigennamen kann man sich anfreunden. Aus litauischer Sicht sicher eine etwas unkonventionelle Geschichtsdarstellung, da an einigen Stellen litauische Heldengestalten wie Gedeminas oder Mindaugas eher knapp behandelt werden. Betont wird statt dessen, dass auch im litauischen Großherzogtum eigentlich Ruthenisch gesprochen wurde, dass für Litauen das Doppelreich mit Polen eigentlich eine Blütezeit war, und das die polnische Adelsschicht aktiv bei den Aufständen gegen die Russifizierung im 19.Jahrhundert war. Sachliche Fehler weist diese Darstellung nicht auf, die Leser sollten sich nur der Schwerpunktsetzung bewußt sein.

In den anderen Teilen ein Versuch, den geschichtlichen Hergang kurz, aber unter Erwähnung der wichtigsten Ereignisse darzustellen. Dieser Versuch ist weitgehend gelungen, bis hin zu einigen aktuellen Entwicklungen. O O

12. Wirtschaft
Nur einige wenige Zeilen innerhalb anderer Texte, und auch die teilweise nicht auf dem neuesten Stand.
13. Bevölkerungsstruktur
Ein sehr schön aufgebautes Sonderkapitel ist am Schluß des Buches zu finden: „vom schwierigen Umgang der Völker miteinander“. Hier wird ausführlich auf Unterschiede und Schwierigkeiten zwischen Esten, Letten, Litauern, Polen, und Russen eingegangen, auch das Thema Holocaust wird behandelt. Nur die Geschichte der Deutschbalten wird eher vernachlässigt. O O O

Dem gegenüber stehen einige unklare Zahlenangaben im übirgen Text, die vielleicht nicht überarbeitet wurden: aus dem Jahr 1992 stammt die Angabe, dass angeblich nur 52% der Bevölkerung Letten seien (Seite 111), und auch die Bevölkerung Tallinns sind eben NICHT mehrheitlich Russen (Seite 175) ?

14. Religion, Kirche
Keine nähere Erwähnung.
15. Sprache
Besonders intensiv geht das Buch nicht auf dieses Thema ein. Der Abschnitt Sprachführer“ wird so eingeleitet: „Die wenigsten Reisenden werden sich eine der Landessprachen bedienen können.“ – Ja, warum denn nicht? Nur dass diese Autoren vielleicht keine dieser Sprachen können, und behaupten, sie seien „sehr schwer zu lernen“, muss ja kein Hinderungsgrund für ein paar Übungen sein, sei es auch nur als Entgegenkommen für nette Gastgeber. Nicht zu vergessen, wie tollpatschig viele gerade deutsche Touristen in anderen Ländern der Welt benehmen: da sind doch viele (der Baltikum-Reisenden) besser als ihr Ruf! – Dem entsprechend ist wohl aber die kurze Wortliste, die dieses Buich zu jeder Sprache enthält, nichts weiter als ein linguistisches Feigenblatt.

Ein Faux-Pas findet sich auf Seite 229: „In Lettland musste 2002 für den EU-Beitritt eine Gesetzgebung wieder aufgehoben werden, die vom Wahlkandidaten sehr gute Kenntnisse der estnischen Landessprache verlangte.“ (Estnisch als Landessprache in Lettland?? Auch die Quelle dieser Info ist anzuzweifeln, denn da scheinen Halbwahrheiten wiedergegeben). ?

16. Sprachhilfe, Vokabelliste
Sehr kurz, nicht zu beurteilen (fast nicht zu gebrauchen, da auch die Autoren ja meinen, diese Sprachen seien sehr schwer zu erlernen).
17. Kultur, Kunst, Musik, Literatur, Theater
Dazu findet sich fast nichts im Buch, abgesehen von sehr kurzen Einzelerwähnungen im geschichtlichen Teil und Adresslisten von Museen bei den Freizeittipps. „Kunst und Kultur“ werden nur kulturgeschichtlich kurz gestreift.

Gesonderter Abschnitte sind „Holzbaukunst“ und „Sangesfreude“, die dadurch besonders gut gewürdigt werden. O

18. Karten
Karte der Innenstadt Vilnius taugt nur zum ersten Überblick. Andere Regionalkarten sind sehr grob gehalten, vorhandene Radwegstrecken sind nicht gekennzeichnet, eine Unterscheidung des Straßenbelags gibt es ebenfalls nicht. Daher eher als einführende Illustration denn wirklich als Karte brauchbar.

Immerhin sind einige Karten mit numerierten Sehenswürdigkeiten versehen, so dass sich ein erster Überblick zur Lage der verschiedenen Orte verschafft werden kann.

Das Kapitel „Karten und Pläne“ erwähnt vor allem Tipps für Ostpreußen, und knapp noch die sehr guten litauischen und lettischen Verlage, Estland gar nicht. O

19. Ortsbeschreibungen Hauptstädte
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten werden angemessen beschrieben, die illustrierenden Fotos helfen, einen Eindruck zu gewinnen. Vilnius und Umgebung bekommen 20 Seiten, das übrige Litauen nur 34 Seiten zugesprochen. Ähnlich sieht es bei den beiden andern Ländern aus: Riga 15 Seiten, Rest Lettland 29 Seiten. Tallinn 16 Seiten, der Rest Estlands 36 Seiten.

Die knappe Beschreibung von Stadtrundgängen erwähnt zwar viele Einzelstationen, man wird aber Schwierigkeiten haben, den verwinkelt beschriebenen Verläufen der beschriebenen Altstadtrundgänge zu folgen. O O

Ein kleines Fragezeichen gibt es im Abschnitt über Tallinn zu vermelden. Keinesfalls sind dort, wie im Buch behauptet, über 50% Russen zu finden (2004: 145.000 von 396.000, laut estnisches Statistikamt). ?

20. Ortsbeschreibungen ländliche Regionen
Die Landesteile der drei Länder werden in überblickartigen, zusammenfassenden Darstellungen erläutert. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten werden aufgeführt, besonders im Teil zu Litauen geht das Buch darüber jedoch kaum hinaus. Tipps für Urlaub auf dem Lande (Unterkünfte, Beratungsstellen) fehlen so gut wie völlig. Manchmal werden in jedem Ort nicht mehr als die Kirche und ein verfallenes Gutshaus beschrieben, nicht ohne für den Zustand der Gebäude die Sowjetzeit anzuklagen. Dennoch weisen die Texte nur gelegentlich Unklarheiten auf, meist durch zu knappe Beschreibungen verursacht. Aufgeführt wird aber eine große Anzahl Sehenswertes (was dann vor Ort eine Nachfrage wert sein sollte, denn das Buch führt nur Stichworte auf).

Positiv: die Region Lagale wird nicht so nachrangig behandelt wie in manchen anderen Büchern. Und auch der Norden und Osten Estands wird zuerst beschrieben, noch vor den sonst so beliebten estnischen Inseln. - Allerdings scheint gegenüber der Ausgabe von 2002 manches Detail auch nicht aktualisiert: so wird der schwere Brand im Schloß Cesvaine zum Beispiel völlig unterschlagen, und das Gebäude wird in den prächtigsten Farben geschildert. - In Tartu ist die Restaurierung der Jaani-Kirche bereits vollendet, wird vom Buch leider nicht erwähnt. O O

21. Fotos
Sehr viele Fotos, durchgehend farbig, einige doppelseitig. Aufgrund des kleinen Buchformats kommen Fotos dennoch nicht so voll zur Geltung wie in vergleichbaren Büchern. O O
22. Begrifflichkeiten, Fragezeichen, Fehlinfos
Einen Autoren mit teilweise stark polnischer Prägung für ein Buch über Litauen zu nehmen, ist sicherlich ein Wagnis. Für Leser, die, die dies einzuschätzen wissen, ist das Buch dennoch empfehlenswert und hat sogar einen eigenen Reiz.

In der Ausdrucksweise wirken manche Wortprägungen etwas schräg („bekopftuchte alte Damen“ oder „Tuckeln und Zuckeln“ - für langsames Busreisen), aber das ist wohl Geschmacksache. Die slawische Prägung der Autoren kommt auch zum Ausdruck in Sätzen wie diesem: „die Museumsmitarbeiterinnen bemühen sich, die ausschließlich litauischen Beschriftungen wenigstens ins Russische zu übersetzen.“ (Seite 81 – das stand allerdings auch schon genau so in der Ausgabe von 2002!)

Erst im Anhang wird deutlich, dass zu den beiden Hauptautoren eine neue Autorin dazu gekommen ist, die auch einen Namen hat: Evelin Striegler gab 1998 in der Reihe Peter-Meyer-Reiseführer ein Litauen-Reisebuch heraus. Leider wurde ihr wohl nicht zugestanden, mehr als die listenartig zusammengetragenen Tipps zu überarbeiten. Schade!

Aus „dunklen Zeiten“ – oder liegt es an der gleichzeitigen Behandlung zusammen mit Kaliningrad?) stammen offensichtlich einige wenig sensible Beschreibungen der von den Autoren offensichtlich so eingeschätzten „Lebensrealität“ des Baltikums. So wird tatsächlich behauptet, für den, der ein eigenes Geschäft eröffnet, seien „Schutzgelderpressungen leider an der Tagesordnung“ (S.244). Bitte diese Texte dringend überarbeiten – wann sind die Autoren zum letzten Mal vor Ort gewesen? O ?

23. Gesamteinschätzung
25 Pluspunkte, 8 Fragezeichen, 42 Punkte
24. Zusammenfassung
Das Buch erscheint als „Sparausgabe“ des 2002 noch gut am Markt liegenden Buches, dass zwar Minimalansprüchen genügt, aber, falls nicht nur das "Geiz-ist-geil"-Argument zählt, angesichts inzwischen besserer Alternativen wohl hinter anderen Büchern zurückstehen muß.

zurück

zurück zur INFOBALT-Hauptseite