Reisebücher, Reiseliteratur, Ratgeber -
Estland, Lettland, Litauen

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Buchformat 11,8 cm Höhe - 19,5 cm

Andreas Fülberth: Lettland und seine Hauptstadt Riga. Edition Temmen, Bremen 2007. 352 Seiten, 16,90 Euro. ISBN 978-3-86108-402-0. (Abbildung: Layoutbeispiel).
1. Größte Stärken
Ein faktenstarkes Buch, von einem ausgewiesenen Historiker geschrieben. Detailreich und stark zu vielen Sachgebieten. Geeignet auch zur Lektüre zu vielen Themen, die nicht nur den Urlauber interessieren. OOO
2. Größte Schwächen
Leider wurde dem von wissenschaftlichem Schreiben geschultem Autor kein mehr an Freizeitvergnügungen interessierter Partner an die Seite gestellt. So halten sich die Freizeit- und Ausflugstipps manchmal mehr als nötig in Grenzen. Außerdem scheint die Bildauswahl eher konservativ und wenig aktuell.
3. Einleitung, Übersicht
In den einleitenden Kapiteln wird geklärt, was es mit dem Begriff "Baltikum" auf sich hat, wie Ortsnamen im Buch verwendet werden, und was Lettland und die Letten eigentlich sind (historisch, kulturell). Geographische Einordnungen beschränken sich auf die Grunddaten der Schwerpunkt liegt bei einer kulturhistorischen Einordnung. OO
4. Anreiseinfos
Anreiseinfos finden sich im Anhang "Informationen A-Z". Kurz gefasst, die Fluverbindungen leicht veraltet, die Tipps für Autofahrer eher für die Reise in den Zielländern geeignet. Die Rolle des Zugverkehrs in Lettland wird bei Fernreisen vom Autor zurecht als gering eingeschätzt, die Verbindungen im Nahverkehr rund um Riga finden jedoch zu unrecht keine Erwähnung. Insgesamt für einen Überblick ausreichend. OO
5. Unterwegs
Tipps für unterwegs haben ihre Stärken in äusserst vielseitigen und detaillierten Beschreibungen von Orten und Sehenswürdigkeiten. Wie man dorthin kommt, bzw. wie der Autor es tatsächlich vor Ort erlebt hat - das erfährt der Leser dagegen kaum. Man muss sich durch das ganze Buch mit all den vielen besuchenswürdigen Orten lesen, um dann am Ende stichwortartig ein wenig über Fortbewegungsmittel zu lernen. Geschrieben fast ausschließlich für "Bildungsreisende".
Tipps für Radtouristen: leider gar nicht. O
6. Übernachten – allgemeine Hinweise
Im ganzen Buch gibt es nur eine einzige Hotelliste - die auch nur Namen und Telefonnummern sowie manchmal Entfernungsangaben zum nächsten Ort anführt. Erfahrungsberichte, Eindrücke, weitere Informationen gibt es nicht. Eine Begründung für solche Lücken findet sich ebenfalls: "die geschwindigkeit und das Ausmaß, in denen überall in Lettland neue Hotels aus dem Boden schießen, nehmen einem Reiseführer wie dem unseren trotz seines ausführlichen Verzeichnisses die Möglichkeit hundertprozentiger Aktualität." (S.333) - es folgt ein Hinweis auf zur Verfügung stehende Internetseiten. Schade, dass ein Hinweis auf das lettische Netzwerk "Urlaub auf dem Lande" ebenfalls fehlt. O
7. Essen & Trinken, allgemeine Hinweise
Bemerkungen zu Essen und Trinken in Lettland fehlen in diesem Buch völlig.
8. Praktische Tipps
Die "praktischen Tipps" finden sich in diesem Buch am Schluß im Kapitel "Informationen von A bis Z", die allerdings im Vergleich mit ähnlichen Büchern eher knapp ausfallen. Manche Tipps scheinen auch leicht veraltet, wie z.B. die Hinweise zur deutschsprachigen Presse. Mit den nötigsten Tipps ist man allerdings auch hier versorgt. O
9. Geographie, Natur, Klima
Es gibt nur ein kurzes Kapitel zu "Klima und Reisezeit", das eher der Vorabeinschätzung dienen kann. Statt naturkundlicher Schilderungen finden sich im Buch eher Landschaftsbeschreibungen, zu denen die Sehenswürdigkeiten addiert werden. Bei manchen Ortsbeschreibungen fehlen auch die Highlights für Naturliebhaber völlig (Beispiel: zu Liepaja wird nur der Ort beschrieben, der Strand fehlt ganz). O
10. Umwelt- und Naturschutz
Die wichtigsten Nationalparke Lettlands sind zwar beschrieben, aber über deren Gefährdungen, den Schutzstatus, oder interessante und charakteristische Tiere und Pflanzen verliert dieses Buch nicht viele Worte. Dass die Gegend um den See Rāsnas seit einigen Jahren inzwischen Nationalpark ist, übersieht der Autor völlig. Zum Hochmoorreservat Teiči wird bemerkt, dass dort "strenge Bestimmungen" (Betreten nur in Begleitung eines Mitarbeiters der NP-Verwaltung) herrschten. Eine nähere Schilderung des Geschützten fehlt - außer der kurzen Bemerkungen, hier würde vielleicht doch noch irgendwann einmal Torfabbau betrieben.
Auch zum Biosphärenreservat Nord Vidzeme ist eigentlich nur erwähnt, dass es dort viel Sumpfland und einige Flüsse gibt. Die Schaffung eines Storchenmuzeums im dortigen Ort Staicele hält der Autor offenbar allein deshalb für "nicht allzu ernst zu nehmen", da Lettland ja ohnehin an Störchen reicht sei (Hintergrund: Staicele ist Mitglied in der "European Stork City Organisation" - ESCO).
Ausführlicher geschildert werden dagegen die Naturschutzmaßnahmen des WWF am See Pape in Kurland.

Wer bei der Suche nach Informationen zum Nationalpark Kemeri vom Abschnitt zu Jurmala hin zum Abschnitt über Tukums gefunden und so den zugehörigen Abschnitt gefunden hat, findet eine Landschaftgsbeschreibung, den Hinweis auf ein Infozentrum, den Tipp lieber auf den Wegen zu bleiben. Konkretere Informationen auf Tier- und Pflanzenarten beschränken sich auf die Erwähnung von"Wasservögeln" und Bibern.
Im Abschnitt über Lettlands ältestes Naturresrevat Moricsala wird sogar behauptet, der Schutzzweck gelte allein "alten Laubbäumen".
Überhaupt keine Erwähnung finden Probleme des Umweltschutzes, nicht einmal zu Riga wird etwas zu diesem Thema erwähnt. Schon die Auswahl der Fotos erweckt den (fälschlichen) Eindruck, auf den Straßen gäbe es so gut wie gar keine Autos. O ??
11. Geschichte, Politik
Gleich nach der Einleitung steht ein über 20 Seiten umfassender Abschnitt zur Geschichte Lettlands. Äußerst detailreich und in den Daten und Fakten sehr sattelfest, bringt es Schwierigkeiten eher denjenigen, die über Geschichte lieber kurz zusammengefasstes und leicht lesbares finden wollen. Wer diesen Thementeil aufmerksam liest, hat weitreichende Kenntnisse zum Verständnis der lettischen Geschichte dazugelernt. OOO

Politische Einordnungen kommen dagegen nur im Verlauf der geschichtlichen Darstellung vor - bis Ende der 1990er Jahre überblickhaft. Neuere Details des lettischen Alltags und gesellschaftlichen Lebens sind eher rar.

Zum Thema Holocaust, jüdisches Leben, Synagogen und Friedhöfe gibt es ausreichend Informationen.

12. Wirtschaft
Wirtschaft und Gesellschaft Lettlands sind für dieses Buch kein Thema, allenfalls als Nebensatz zu der Beschreibung von einzelnen Orten. Nach ein paar einleitenden Sätzen am Anfang (Seite 8-9) kommt sogleich die Bemerkung "auch der Platz in einem Buch wie diesem muss sorgsam ausgewählten Sehenswürdigkeiten vorbehalten bleiben." Stolz bemerkt der Autor, wie dick es trotzdem geworden ist, und meint damit wohl andere Themanansprüche logisch wiederlegt zu haben.
13. Bevölkerungsstruktur
Existenz und Entstehung des Landes Lettland definiert dieses Buch ausschließlich historisch. Interessant ist die Bemerkung, dass Lettland das einzige der drei "baltischen" Staaten sei, auf das die verschiedenen Definitionen von "baltisch" wirklich zutreffen: man spricht eine baltische Sprache, und es falle unter den historischen "Baltikum"-Begriff.

Lettische Traditionen und Charakter werden ausführlich in eigenem Kapitel beschrieben (Seite 19), aber zum russischen Bevölkerungsteil gibt es nur einzelne, schlichte Sätze ("wie lange es noch dauert, bis sich die Beziehungen zu Lettland sich in jeder Hinsicht normaliert haben werden, bleibt abzuwarten." - Seite 49). Alles andere in diese Richtung wird in eher historischem Bezug gesehen, wobei man nach Bemerkungen zur auch historisch und gegenwärtigen Rolle von Russen lange suchen muss.

Immerhin gibt es einen eigenen Abschnitt zum Volk der Liven. O

14. Religion, Kirche
Zum "vorchristlichen" Volksglauben der Letten finden sich in verschiedenen Kapiteln einige Bemerkungen.

Die wichtigsten Kirchenbauten wie auch die Friedhöfe werden nahezu ausschließlich architektonisch eingeordnet. Eigene Abschnitte zu Religion oder Glauben sind keine zu finden.

15. Sprache
Zur lettischen Sprache findet sich ein eigenes Kapitel am Schluß des Buches. Hier finden sich ausführliche Hinweise zur Aussprache, grammtischem Aufbau, und Schreibweise von Namen. OO
16. Sprachhilfe, Vokabelliste
Das Buch weist ein deutsch-lettisches Ortsverzeichnis und eine sehr am praktischen Gebrauch orientierte Wortliste auf - damit ist man als sprachlich interessierter Reisender für den Anfang sehr gut versorgt. OO
17. Kultur, Kunst, Musik, Literatur, Theater
Die Ursprünge lettischer Literatur im 19.Jahrhundert werden im Zuge der historischen Abhandlungen mit berücksichtigt.

Auf Seite 170 wie auch auf Seite 69 wird der Schriftsteller Jānis Pliekšāns, dessen Pseudonym "Rainis" war, irrtümlich "Jānis Rainis" genannt, auf Seite 93 nochmals "Jānis-Rainis-Denkmal". Auch bei der Nennung viele andere Denkmäler von lettischen Schriftstellern oder Künstlern werden leider nur wenig mehr als das Aussehen des entsprechenden Denkmals geschildert.

Auch bei den Theatern wird kaum einmal auf eine Vorstellung eingegangen, so wie auf Seite 95 zum "Dailes teatris": "Wen es nicht in eine Vorstellung zieht, den sollten die umstehenden, teils faszinierenden Jugendstilbauten in dieser Gegend locken". Da scheint es klar, was den Autor mehr interessiert.

Ausführlicher beschrieben werden das Automobilmuseum und das ethnografische Freilichtmuseum in Riga.

Ein gesondertes Kapitel beschäftigt sich mit "Herder, Wagner, Erhadt" - also den Spuren deutschen Kulturlebens in Riga. In dies a

Neuere Entwicklungen der lettischen Musik, der Theaterszene, des Kinos oder der Bildenden Kunst wird man in diesem Buch leider vergeblich suchen. O ?

18. Karten
Es gibt zwar zwei Karten hinten im Buch, diese sind aber für nicht mehr als einen kurzen Überblick tauglich. Für mehr Übersicht müssen Landkarten oder Stadtpläne zusätzlich beschafft werden.
19. Ortsbeschreibungen Hauptstädte
Die lettische Haupstadt Riga wird sehr ausführlich beschrieben, vor allem aus historischer und architektonischer Sicht. Zum Jugendstil gibt es ein gesondertes Kapitel. Dagegen finden sich so gut wie gar keine Freizeittipps: Restaurants, Bars, Ballonfahrten oder andere Vergnügungen fehlen völlig. Der Autor würde sicher (wie schon an anderen Stellen) sagen: das Buch ist auch schon so dick genug. Für ausführliche Stadtspaziergänge reicht es dennoch allemal. OO
20. Ortsbeschreibungen ländliche Regionen
Ein kleiner Nachteil bei der Orientierung außerhalb von Riga ist sicherlich, dass in diesem Buch die Ortsbeschreibungen alphabetisch angeordnet sind; noch dazu fehlen bei den einzelnen Abschnitten kleine Übersichtskarten. So springt die Beschreibung hier ständig von einem Landesteil in einen anderen.

Da hilft wohl nur: komplett durchlesen und sich erstmal Notizen machen zu den interessantesten Sehenswürdigkeiten und Orten. Dafür ist allerdings reichlich Stoff vorhanden. OOO

Positiv: auch nicht ganz so gängie Tourismusregionen werden berücksichtigt. Beispiel: der Nordosten Estlands. Zitat: "Viele Esten mißtrauen dieser Gegend, in der vorwiegend russisch gesprochen wird. Davon sollte sich aber keiner abschrecken lassen, sondern sich erstmal selbst ein Bild machen." (S.112) Aber eigentlich ist das Buch weniger für Reisende gedacht, die speziell abseits der Städte unterwegs sein möchten. Immerhin:

21. Fotos
Das Layout des Buches ist eher zurückhaltend und konservativ gehalten, was durch die fast durchweg statischen Fotos noch unterstrichen wird. Schade, dass es kaum einmal Menschen zu sehen gibt. Fotos mit aktuellen Inhalten finden sich ebenfalls keine; das schafft eine gewisse Zeitlosigkeit, aber wenig Belebung oder gar Überraschung - obwohl an der technischen wie auch an der Druckqualität des Ausgewählten ansonsten nichts auszusetzen ist. OO
22. Begrifflichkeiten, Fragezeichen, Fehlinfos
Eine der großen Vorteile dieses Buches ist zweifellos: ein sehr hoher Prozentsatz dessen, was drinsteht, ist von großer Sachkenntnis geprägt; wer dieses Buch liest (und versteht!), der weiß zumindest schon einmal sehr viel über die Geschichte und Kultur Lettlands, und auch über die Hauptstadt Riga ist viel Information enthalten. OOO
23. Gesamteinschätzung
31 Pluspunkte, 3 Fragezeichen, insgesamt 59 Punkte
24. Zusammenfassung
Ein solide erstelltes und produziertes Buch, das zu den gewählten Schwerpunktthemen sehr viel bietet. Urlauber haben verschiedene Interessen - daher keine herausragende Bewertung - was die Inhalte dieses Reisebuchs aber nicht abwerten soll.

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