Ein kurzes Kapitel "Umweltschutz" findet sich bei der Beschreibung der Kurischen Nehrung, gemeint ist aber nur angeblich fehlendes Umweltbewußtsein der Litauer - als Indiz muss das Verlassen von gekennzeichneten Wegen herhalten. O ?

Wo sich andere Reisebücher nicht heranwagen, da bietet dieses Buch auch einige Bemerkungen zur Innenpolitik, zum Parlamentssystem und zur Außenpolitik Litauens. Sehr lobenswert! O

Es folgen Kapitel zur litauischen Gesellschaftsstruktur ("Gewinner und Verlierer") und Bemerkungen zu Jugend und Bildung. Etwas irritierend dabei, dass Jugendliche einerseits als besonders betroffen von Arbeitslosigkeit geschildert werden, andererseits als begünstigt dadurch, dass ihnen "die Welt offen stehe" (= vereinfachte Arbeits- und Ausbildungsbedingungen). Dennoch engagierter Versuch die aktuelle Situation in Litauen darzustellen, sehr realitätsnahe Einschätzung von "durchschnittlichen Lebensbedingungen".
Noch dazu kommen Erläuterungen zu "Mentalität nd Familiäres": Das Verständnis und der Stellenwert von Patriotismus und nationalem Selbstbewußtsein, dazu die Einstellung gegenüber Ausländern und Fremden - bis hin zu den Schreibweisen der Familiennamen, und dem Rollenverständnis von Frauen und Männern. OOO

Besonders die mutige Einschätzung der Mentalität der Litauer/innen und der Vergleich mit Est/innen und Lett/innen findet sich in ähnlichen Reisebüchern selten und verdient - zusammen mit der Fülle der Informationen zu den Eigenarten der Menschen - einen Extrapunkt. O

Sehr gut zu finden sind die im Buch verteilten Zusatzinformationen zu Sonderthemen (Geschichtliches wie "Konvention von Tauroggen", Kulinarisches wie "Pilze sammeln und Beeren pflücken", Generelles wie "Litauen und die Balten", Märchen- und Sagenhaftes wie "die Legende von der Riesin Neringa", Biologisches wie "der Wisent", Kulturelles wie Vincas Grybas - Meister der Klassik", oder Aktuelles wie "gefährliche Erbschaft - das Kernkraftwirk Ignalina"). Am Anfang des Buches steht gleich eine Übersicht, wo was zu finden ist. O

Die Beschreibung der Regionen folgt dann einer Aufteilung entlang der Routenvorschläge. Diese sind im Inhaltsverzeichnis zu Anfang ausführlich dargestellt, so dass eine Orientierung im Land nach diesem System einigermaßen gesichert ist.

Bei den Hinweisen auf Feiertage und Festivals fehlen auch nicht Tipps zu einzelnen Regionen und Orten.

Schließlich stecken die Ortsbeschreibungen voller Hinweise auf überraschende Themen: vom Geburtsort der Sängerin Alexandra (in Šilute!), die Legende von der Marienerscheinung von Šiluva, oder die Gründungsgeschichte der Kalnapilis-Brauerei ("Bergschlösschen"). Manche ländlichen Bars und Restaurants werden noch eindringlicher und persönlicher beschrieben als das breite Angebot in den Städten. OOO

Obwohl sehr viele Tipps Natur- und Landschaftsbeschreibungen zum Inhalt haben, trauen die Autoren den Litauern nicht viel an Bemühungen zum Natur- oder Umweltschutz zu - oder liegt es an den eigenen Interessenlagen?